High ISO Fotografie :: Wenn es Nacht wird

Von Christian

 

Es war ein langer Fototag und die Sonne ist schon längst unter gegangen. Die Kamera ist gut verpackt im Fotorucksack und man befindet sich auf dem Nachhauseweg. Plötzlich begegnet man unverhofft einem Tier. In der Dunkelheit ist es schwer, mit bloßem Auge etwas zu erkennen. Die Freude über die Begegnung ist groß. Dann macht sich später zu Hause etwas Unmut breit. "Wäre es doch etwas heller gewesen, dann hätte ich noch Fotos machen können". Wer kennt nicht solche Situationen?


Bild 1: Waschbär, Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600
Bild 1: Waschbär, Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600


In den letzten Jahren hat sich in der digitalen Fotografie viel getan. Vor allem ist die Entwicklung der Sensoren weit fortgeschritten. Die Empfindlichkeit wurde stetig weiter entwickelt, so dass es heute bei kommerziellen Spiegelreflexkameras nicht mehr selten ist, dass man Empfindlichkeiten bis ISO 409600 findet. Spezielle Sensoren für industrielle Anwendungen gehen da teils noch weiter. In den meisten Testberichten zeichnet sich jedoch ab, dass gerade die höchsten Empfindlichkeitsstufen der Sensoren in Kameras nicht mehr zu gebrauchen sind. Bildrauschen und Artefakte werden extrem stark und machen die Bilder unbrauchbar.


Heute möchte ich einmal vorstellen, was eine schon etwas in die Jahre gekommene Nikon D3 in den höchsten Empfindlichkeitsstufen leisten kann. Der Empfindlichkeitsbereich reicht standardmäßig von ISO 200 bis 6400 und ist erweiterbar auf ISO 100 bis 25600. Modernere Sensoren haben da teilweise noch deutlich mehr Potential in den höheren Empfindlichkeitsstufen, als es bei der Nikon D3 der Fall ist.


In diesem Sommer war ich mit Andreas auf einer Fototour im Noden von Dresden. Da wir durch einen glücklichen Zufall am Abend einen Waschbären in einer alten Eiche entdeckten, wurde der Abend noch etwas länger, als geplant. Dabei entstanden viele Bilder nach Sonnenuntergang. Die Schwierigkeit lag darin, dass der Waschbär immer ein wenig in Bewegung war und die Belichtungszeiten der Kamera auf dem Stativ nicht einfach immer weiter verlängert werden konnten. Schnell waren sehr hohe Empfindlichkeiten eingestellt. Erfahrungsgemäß lassen sich bei sorgfältiger Belichtung und Nachbearbeitung des Bildrauschens noch Bilder mit ISO 6400 gut verwenden. Bei Empfindlichkeiten über ISO 6400 sehen die Bilder meist nicht mehr gut aus und lassen sich auch oft nicht mehr durch Bildbearbeitung retten. Die trifft jedoch nicht immer zu, wie dieser Bericht zeigen soll.

 

Ich entschloss mich bei der Fotogelegenheit mit dem Waschbären, einmal die Kamera nicht einzupacken, wenn die ISO 6400 überschritten werden, weil es zu dunkel wird. Ich habe immer weiter fotografiert, bis die Grenzen ausgereizt waren und auch in der höchsten Empfindlichkeitsstufe von ISO 25600 nichts mehr zu erkennen war. Zu Hause schaute ich mir die Bilder an und entwickelte sie in Lightroom 5. Ein anderes Bildbearbeitungsprogramm kam nicht zum Einsatz. An einem Beispiel bei ISO 25600 werde ich zeigen, was sich mit Bildbearbeitung bei sehr starkem Bildrauschen machen lässt.

 

Bild 2: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, JPG kameraintern leicht entrauscht, unbearbeitet
Bild 2: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, JPG kameraintern leicht entrauscht, unbearbeitet

   

Oben in Bild 2 ist das JPG aus der Kamera zu sehen, welches in der Kamera geringfügig entrauscht wurde. Unten ist in Bild 3 die NEF-Rohdatei in Lightroom geöffnet, ohne dass Bearbeitungsschritte durchgeführt wurden. Das JPG sieht stark verrauscht aus, die Tiefen wirken jedoch einigermaßen dunkel, wie sie auch vor Ort waren. Das in Lightroom geöffnete NEF weist stärkeres Farbrauschen auf und die Tiefen zeigen einen deutlichen Farbstich Richtung Magenta. Aufgenommen wurde der Waschbär mit 200 mm Brennweite bei Blende 2,8 mit einer 1/200 Sekunde Freihand, da er sich recht schnell bewegt hat. Das Licht stammt von einer Taschenlampe von Andreas, der einige Meter weiter weg stand. Die Belichtung ist etwas heller gewählt, als sich vor Ort war, damit nachträglich keinesfalls Bildbereiche aufgehellt werden müssen.

 

Bild 3: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, NEF in Lightroom importiert, unbearbeitet
Bild 3: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, NEF in Lightroom importiert, unbearbeitet

   

Wie kommt man nun von so einem Bild zu einem brauchbaren Bild? Im ersten Schritt wurde das Farbrauschen in Lightroom mit dem Wert 25 entfernt und das Luminanzrauschen um den Wert 30 reduziert. Schon sieht das Bild etwas besser aus, was das Rauschen angeht. Das Resultat ist in Bild 4 zu sehen. Damit ist das Bild jedoch noch nicht fertig. Einerseits gilt es nun, dem Eindruck vor Ort möglichst nahe zu kommen und noch weitere Schwächen des Sensors bei so hoher Empfindlichkeit auszugleichen. Neben dem Rauschen muss der Weißabgleich angepasst werden. Das Licht war etwas kühler, so wird auch der Weißabgleich etwas kühler eingestellt. Die Farbsättigung wurde um 25 zurück genommen, da vor allem die Grüntöne durch das Licht zu grell aussahen.

 

Bild 4: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, NEF in Lightroom importiert, entrauscht und geringfügig in Lichtern und Tiefen angepasst
Bild 4: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, NEF in Lightroom importiert, entrauscht und geringfügig in Lichtern und Tiefen angepasst

  

Im letzten Feinschliff wurde die Belichtung angepasst und die Lichter und Tiefen bearbeitet. Ziel war es, dass die dunklen Bereiche auch wirklich dunkel sind und die hellen Bereiche nicht zu hell erscheinen. Die Tiefen wurden so weit zurück genommen, dass sie fast schwarz aussehen, die Datei aber noch Zeichnung in den Tiefen enthält. Die Lichter wurden so weit zurück genommen, dass vor allem die Fellzeichnung gut zur Geltung kommt. Schlussendlich wurde die gesamte Belichtung noch ein wenig dunkler geregelt. Wichtig ist bei der Bearbeitung solcher Bilder, dass nachträglich keine Bildbereiche aufgehellt werden müssen, da sich sonst das Bildrauschen noch deutlich verstärkt. Durch nachträgliches Abdunkeln reduziert sich jedoch das Bildrauschen sichtbar.

 

Bild 5: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, NEF in Lightroom importiert und fertig bearbeitet
Bild 5: Nikon D3, 200 mm, f/2,8, 1/200 Sek., ISO 25600, NEF in Lightroom importiert und fertig bearbeitet

  

Bild 5 zeigt das fertige Bild. Der Weißabgleich ist kühler, die Belichtung etwas dunkler und das Bildrauschen nochmals etwas geringer geworden. In allen Bildbereichen ist Zeichung in der Datei. In diesem Zustand lässt sich gut ein Druck im Format 40 x 60 cm anfertigen, in dem das Rauschen nicht störend auffällt. Ich war sehr froh, dass ich diese Aufnahmen trotz der hohen Empfindlichkeit gemacht habe. Nun kommt es häufiger vor, dass ich bei schlechtesten Lichtbedingungen die Kamera noch mal raus hole und Bilder mache.

 

Unten sind zu den vier Bildern 100 % Crops. Von links nach rechts: JPG aus der Kamera, NEF unbearbeitet in Lightroom, NEF entrauscht und geringfügig in Lichtern und Tiefen angepasst und zuletzt das fertig bearbeitete Bild.

 

 

In der Wildlife-Fotografie haben sich die Grenzen stark verschoben, was Aufnahmen bei schlechten Bedingungen angeht. Es lohnt sich sehr, die eigene Kamera auch einmal an ihre Grenzen zu bringen. Nicht in jeder Situation gelingt es, ein so brauchbares Bild zu bekommen, gelingt es dennoch, ist die Freude um so größer.

 

Die anschließenden Bilder sind von dem selben Abend in fortschreitender Dämmerung  entstanden und mit hohen Empfindlichkeiten aufgenommen.

 

Waschbär an einer Eiche, Nikon D3, 600 mm, f/6,3, 1/15 Sek., ISO 6400, Stativ
Waschbär an einer Eiche, Nikon D3, 600 mm, f/6,3, 1/15 Sek., ISO 6400, Stativ
Waschbär an einer Eiche, Nikon D3, 600 mm, f/6,3, 1/10 Sek., ISO 12800, Stativ
Waschbär an einer Eiche, Nikon D3, 600 mm, f/6,3, 1/10 Sek., ISO 12800, Stativ
Waschbär an einer Eiche, Nikon D3, 550 mm, f/6,3, 1/8 Sek., ISO 25600, Stativ
Waschbär an einer Eiche, Nikon D3, 550 mm, f/6,3, 1/8 Sek., ISO 25600, Stativ

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Kommentare: 2
  • #1

    Simone (Donnerstag, 07 Januar 2016 11:04)

    Hallo Christian,

    klasse beschrieben und mit dem Bildmaterial gut dargestellt!
    Nun bist du mir mit dem Thema zuvorgekommen :-/ Dazu hatte ich auch vor, mal was zu schreiben. Nun sähe das total abgeklatscht aus :-D
    Aber ich kenne es durchaus auch, dass ich immer große Hemmungen hatte, die ISO weiter aufzudrehen. Die Steinkäuze haben mich dann gelehrt, dass es sich manchmal lohnt und ein verrauschtes Bild mit intensiver Bildbearbeitung immer noch besser ist, als gar kein Bild. Zumindest wenn die Situation stimmt.
    Und bei deinem Waschbären wäre es auch wirklich schade um die Bilder gewesen, wenn sie nicht gemacht worden wären. Und die Qualität ist doch wirklich vorzeigbar!
    VG Simone

  • #2

    Christian (Donnerstag, 07 Januar 2016 11:18)

    Hallo Simone,

    schreib doch bitte auch was zu dem Thema. Erstens ist das hier sehr bezogen auf die Nikon D3, da könntest du eine Ergänzung mit der EOS 5DIII machen und noch dazu ist es sehr von der Situation abhängig, ob die hohen ISO Stufen noch brauchbare Bilder liefern.

    Auf deine Erfahrungen wäre ich sehr gespannt!

    Gruß,
    Christian